Helmut Hojesky ist Abteilungsleiter im österreichischen Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Eine seiner Aufgaben ist es die Klimapolitik in Österreich zu koordinieren. Er ist schon seit 1992 Teil der internationalen Klimaverhandlungen und davor hat er sich der Meteorologie verschrieben. Obwohl, es immer wieder Rückschläge in Sachen Klimapolitik gibt, bleibt er optimistisch. Warum, liest du jetzt.
Das erste internationale Abkommen zur Luftreinhaltung wurde 1979 in Genf beschlossen. Mit grenzüberschreitenden Luftverunreinigungen hatte man schon damals zu kämpfen, aber zu diesem Zeitpunkt merkte man noch nicht viel vom Klimawandel. Heute sieht die Welt schon anders aus. Die Folgen des Klimawandels sind immer deutlicher zu spüren, die Fakten liegen auf dem Tisch und rasches Handeln ist gefragt. Auf der anderen Seite haben sich auch die Klimakonferenzen verändert, erzählt mir Helmut Hojesky vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus.
Zu seinen Hauptaufgaben zählt die Koordinierung der nationalen Klimapolitik. Themen die ihn Tag ein Tag aus beschäftigen sind zum Beispiel die Klima- und Energiestrategie, Klimafinanzierung, Klimawandel Anpassung, der Emissionshandel und weitere Bereiche dieses breiten Feldes. Dafür verfolgen er und sein Team klimarelevante Dossiers, koordinieren die nationale Umsetzung, berichten darüber oder erarbeiten Strategien und beraten. Er ist auch die Person die seit 1992 bei fast allen internationalen Verhandlungen Teil genommen hat.
Mich hat interessiert was sich über die Jahre bei den Verhandlungen verändert hat und das hat er mir erzählt:
Wie lange sind Sie schon Teil der internationalen Klimaverhandlungen und was ist Ihre Rolle dabei?
Ich bin seit 1992, nach dem UNCED Erdgipfel von Rio eingestiegen. Also erst nachdem die Klimarahmenkonvention angenommen wurde. Anfangs war ich Teil der Delegation, und ab 1997 durfte ich die österreichische Delegation dann schon selbst leiten. Meine Aufgabe war vor allem zu schauen, dass alles gut organisiert ist und dass Österreich bei den Verhandlungen gut vertreten ist, sowie dafür zu sorgen, dass unsere Positionen bei den Verhandlungen eingebracht werden.
Dabei vertrete ich Österreich insbesondere in der EU-Koordinierung, da wir uns als Unionsmitglied an die Vorgaben der EU halten und die Union mit einer Stimme spricht. Im Gegensatz zu früher hat sich die Delegation schon um einiges vergrößert. In Kattowitz waren wir zum Beispiel insgesamt 30 Leute, was vor allem durch die zusätzliche Rolle Österreichs als Ratsvorsitz bedingt war.
Die Vertragsstaatenkonferenzen wie die letzte in Kattowitz, aber auch die Zwischenkonferenzen sind auf jeden Fall Fixpunkt in meinem Kalender. Dabei hatte ich schon in einigen Bereichen wie Capacity Building, Joint Implementation oder Budget den Vorsitz bei den internationalen Verhandlungen und war dafür verantwortlich, dass etwas dabei herauskommt.
Manchmal ist das nicht so einfach, da viele verschiedene Ansichten und Positionen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden müssen.da ja alles im Konsens beschlossen wird.
Joint Implementation ist einer der 3 flexiblen Mechanismen die beim Kyoto Protokoll im Jahre 1997 ausgehandelt wurden. Es geht dabei um Klima-Projekte zwischen Industrieländern. Also wenn zum Beispiel Österreich dabei (finanziell) hilft in Rumänien ein Windrad zu errichten.
Wie hat sich die Stimmung bei den COPs im Laufe der Jahre verändert?
COP steht für Conference of the Parties. Seit 1995 treffen sich die Vertragsparteien jedes Jahr für ca. 14 Tage um gemeinsam auszuhandeln wie mit dem Klimawandel umgegangen wird.
Die erste Vertragsstaaten Konferenz, also COP fand ja 1995 in Berlin statt. Seit damals hat sich schon einiges verändert. Die Anfänge vor ca. 25 Jahren waren noch eher generell. Bei dem Klimarahmenabkommen in Rio einigte man sich ja auch nicht auf konkrete Reduktionsvorgaben für die Treibhausgas- Emissionen, sondern eher qualitativ darauf, dass wir als Menschen etwas ändern müssen. Für eine lebenswerte Zukunft.
Das war aber trotzdem, die Grundlage für alle folgenden Verhandlungen, und so wurde bei jeder Konferenz ein weiterer Schritt getätigt. Manchmal auch zurück, aber bis heute haben wir ein riesengroßes System zum Klimaschutz aufgebaut. Das zum Beispiel auch Evaluierung von Klimaschutzmaßnahmen, das Berichtswesen oder die Anpassung an den Klimawandel inkludiert.
In Kyoto im Jahre 1997 wurde es dann schon konkreter und Industrieländer einigten sich darauf die Emissionen von 2008 bis 2012 um 5,2 % gegenüber 1990 zu senken. Auch wenn man sich die Beschlüsse anschaut, hat sich einiges verändert. Wir starteten mit rund 30 A5 Seiten und in Kattowitz haben wir jetzt allein mit dem Regelwerk 133 A4 Seiten beschlossen.
Die Stimmung auf den Konferenzen erreichte Hochs und Tiefs. Euphorisch waren wir sicher in Paris, aber auch in Kattowitz. Andere Höhepunkte waren die Verhandlungen in Kyoto oder Bali. Es gab im Laufe der Jahre aber auch Rückschläge und Konferenzen bei denen kein Ergebnis erreicht wurde. Das war zum Beispiel in Den Haag oder Kopenhagen, hier war die Stimmung sehr ernüchternd.
Paris war von allen Verhandlungen sicher der absolute Höhepunkt, da man sich hier auf die gemeinsame Richtung aller Staaten einigen konnte. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Ziele Schritt für Schritt genauer definiert. Es gibt heute ein klares Berichtswesen für alle. Es wurde geregelt wie die globale Bestandsaufnahme auszusehen hat, und wie all das konkret umsetzbar ist. Theoretisch sollte also jedes Land wissen was es zu tun hat.
Auch die TeilnehmerInnenzahl hat sich gesteigert und damit auch erfreulicherweise das Interesse. Bei der ersten Konferenz waren es gerade mal 3000 Menschen und in Paris schon über 30 000. Immer mehr Menschen werden eingebunden wie NGOs, die Medien, oder die Zivigesellschaft. Neben den Verhandlungen gibt es nämlich, auch eine Klimamesse oder Nebenveranstaltungen wo wissenschaftliche Erkenntnisse präsentiert werden und auch für den Austausch von Think Tanks ist Platz.
Wie gehen Sie mit Klimawandel Skeptiker*innen um bzw. was sagen Sie diesen?
Es kommt auf die Person an, aber manchmal ist das schwierig. Denn viele Skeptiker weigern sich die wissenschaftliche Perspektive anzuerkennen, und stellen oft absurde Vergleiche, die mit ein bisschen mehr Wissen wenig Sinn ergeben.
Oft wollen sie auch einfach nur provozieren und nicht unbedingt zu einem Ergebnis bei der Diskussion kommen. Anfangs versuche ich auf jeden Fall zu erklären wie ich zu meiner Meinung komme, aber ab einem gewissen Zeitpunkt distanziere ich mich und wir einigen uns auf keine Einigung.
Ich kann mir vorstellen, dass es auch vielen anderen Menschen so geht. Manche Diskussionen spalten ja sogar Familien. Dafür haben wir mit dem Klimabündnis ein Booklet erstellt, das helfen soll sich richtig zu artikulieren:
Hier ein Beispiel:
Hier kannst du dir das Booklet kostenlos downloaden:
Was hat Sie dazu gebracht sich für Klimaschutz einzusetzen?
Ursprünglich bin ich Meteorologe und komme von der Luftreinhaltung. Die Fragen des Umweltschutzes, stellt man sich dann im Laufe der Zeit sowieso, da das eine das andere bedingt. Nach meinem Studium war ich kurz auf der Zentralanstalt für Meteorologie, dann eine Zeit im Umweltbundesamt. Ich habe dann also einen Weg einschlagen bei dem ich etwas für die Umwelt tun konnte.
Im Laufe der Zeit habe ich mich immer tiefer in die Materie eingearbeitet, und kam dann von der fachlichen Seite zur Klimapolitik. Am Beginn meiner Studienzeit merkte man die Auswirkungen des Klimawandels noch nicht. Auch 1990 hat man davon, vor allem bei uns, wenig gesehen.
Doch die CO2 Emissionen stiegen schon damals an. Heute spürt man die Erderwärmung und das bedeutet dass noch viel getan werden muss und meine Arbeit noch lange nicht vollendet ist.
Rückblickend betrachtet hat all das natürlich viel Zeit in Anspruch genommen, und ich habe andere Interessen vernachlässigt. Doch das hab ich gern gemacht, da es gut und nützlich war. Heute ist es mir ein Anliegen auch mein Wissen weiter zu geben, damit die nächste Generation an dieser Aufgabe weiter wachsen kann.
In all den Jahren hab ich so viel Wissen, Erfahrung aber auch eine gewisse Portion an Optimismus angehäuft, und das sollte man doch teilen?
Wenn Sie eine Sache sofort umsetzen könnten, um den Klimawandel zu entschleunigen, was wäre das und warum wird das nicht umgesetzt?
Eine wirklich ernst gemeinte sozial-ökologische Steuerreform. Dabei ist es aber wichtig, dass sie aufkommensneutral gestaltet wird. Es soll nicht zu einer Mehrbelastung, sondern viel mehr zu einer Umverteilung kommen.
Das würde bedeuten, dass klimafreundliche Lebensstile weniger und umweltschädliches Verhalten stärker besteuert wird. Am Ende sollte es aber ein Nullsummen Spiel sein. Um das zu erreichen könnte man zum Beispiel den Faktor Arbeit weniger besteuern. Mit so einer Steuer-Reform könnte schon einiges bewirkt werden.
Auch wenn andere Maßnahmen nicht so viel bewirken können, sind sie trotzdem wichtig. Damit meine ich zum Beispiel die Ortskerne wieder zu beleben oder den öffentlichen Verkehr auszubauen. Doch all diese Maßnahmen bedeuten einen großen Umbau. Da trauen sich momentan nur wenige darüber, obwohl sich die derzeitige Konjunktur dafür gut eignen würde.
Grundsätzlich brauchen wir aber auch eine Umstellung unseres Lebensstils, wenn wir den Klimawandel wirklich entschleunigen wollen. Das beginnt bei der Frage: Brauche ich das Auto heute wirklich oder kann ich mit dem Fahrrad fahren?
Außerdem werden in vielen Produkten nicht die wahren Kosten wiedergespiegelt, und vieles einfach weggeworfen. Wobei noch viele Gegenstände repariert und der Produktlebenszyklus damit verlängert werden könnte. Mit der Einrichtung von Reparaturnetzwerken und dem Willen der Bevölkerung, könnte man das beheben.
Warum dauert es so lange bis die Teilnehmer*innen der Klimakonferenz auf einen gemeinsamen Nenner kommen?
Die Entscheidungen werden nach dem Konsensprinzip getroffen. Im Laufe der Jahre konnte man noch keine bessere Lösung finden. Das bedeutet, dass zwar nicht alle die gleiche Meinung haben, aber das niemand aufsteht und gar nicht damit zufrieden ist. Man gibt sich sozusagen mit dem geringeren Übel zufrieden. Das ist manchmal besser als gar kein Ergebnis.
Bei vielen Verhandlungen geht es auch oft einfach um wirtschaftliche Interessen, finanzielle Uneinigkeiten und manchmal um persönliche Eitelkeiten, die vertreten werden. Klimaschutz ist bei den Klimaverhandlungen für Einige dann nicht das Wichtigste. Generell stützt man sich zwar auf wissenschaftliche Erkenntnisse, doch die Beschlüsse spiegeln dann trotzdem eher die wirtschaftlichen Interessen wieder.
Bei Paris und Kattowitz hatte man es aber fast geschafft, dass alle gleich glücklich mit den Ergebnissen waren.
All das und die Vielfalt der Meinungen zögern die Prozesse hinaus und blockieren, obwohl die Zeit rennt. Dessen sind sich die VerhandlerInnen aber auch bewusst.
Was vermissen Sie inhaltlich in den Verhandlungen?
Die Kooperativen Mechanismen konnten auch in Kattowitz noch nicht genauer definiert und beschlossen werden. Der letzte Vorschlag wäre wirklich schlecht für das globale Klima gewesen. Er hätte bedeutet, dass Doppelzählungen der Leistungen erlaubt sind oder der Zertifikat Handel ohne klare Regeln auskommt. Darüber muss definitiv noch diskutiert werden und deshalb ist es in diesem Fall besser, dass noch kein endgültiger Beschluss gefasst wurde.
Gab es Momente in denen sie dachten oder denken die Welt könne sich nie auf ein gemeinsames Ziel einigen?
Ja, 2009 in Kopenhagen war so ein Moment. Da waren wir alle fertig, mit den Nerven. Man glaubte zwischendurch, dass man nicht auf eine globale Lösung kommen kann, sondern eher regional agiert. Doch das Weltklima lässt sich nun mal nicht auf Staaten aufteilen.
Der Grund für diesen Tiefpunkt war, dass man versuchte die Ziele von Kyoto auch auf Entwicklungsländer umzulegen. Das haben sich die Entwicklungsländer aber nicht gefallen lassen, da sie noch nicht soweit sind, das zu leisten was Industriestaaten konnten. Sie brauchen noch Entwicklungszeit. Die Konferenz in Kopenhagen hätte einen Beschluss wie Paris erreichen sollen. Doch stattdessen wurde erst 6 Jahre später dieses Ziel erreicht.
Man hat dann die Philosophie geändert und sich in Durban auf nationale und freiwillige Beiträge geeinigt. Mit den sogenannten NDCs fühlte sich die Mehrheit wohler, und wir waren wieder auf Kurs. Durch die NDCs ist man nämlich schon verpflichtet das zu tun, was man angekündigt hat. Es gibt nämlich Überprüfungen und ein Verschlechterungsverbot.
Wie viel trägt Österreich zur Besserung der Klimasituation bei und was können wir noch besser machen?
Österreichs Beitrag ist zu großen Teilen in der Mission 2030 verankert. Sie betrifft alle Bereiche außer dem Emissionshandel, da der ja EU-weit geregelt ist. Da fällt dann zum Beispiel die Raumwärme oder der Verkehr rein. Auch der nationale Klimaplan wurde schon als Entwurf eingereicht, die finale Version folgt Ende diesen Jahres.
Ein großes Problem Österreichs sind die 7,2 Millionen Tonnen an CO2 die bis 2030 durch den Verkehr reduziert werden sollen. Die Lösung dieses Problems ist auch schwierig, vor allem ohne eine sozial-ökologische Steuerreform. Denn Anreizsysteme wie die Förderung von Elektroautos, oder Fahrverbote erreichen nur einen Teil von dem was nötig ist.
Eine Möglichkeit dieses Problem zu lösen ist, dem Tanktourismus ein Ende zu bereiten. Denn momentan ist es so, dass die Treibstoff-Preise in Österreich viel niedriger sind als in den Nachbarländern. Dadurch tanken viel mehr Leute in Österreich und wir bekommen dafür die CO2 Rechnung präsentiert. Würde man das allerdings durchsetzen, dann wären Diesel und Benzin um ein Viertel teurer, und das wollen viele nicht. Sonst ist es aber schon wichtig, mehr Elektromobilität zu erreichen, eine Wiederbelebung der Ortskerne zu schaffen, einen Ausbau der Radwege zu realisieren oder die öffentlichen Verkehrsmittel auszubauen.
Im Bereich der Raumwärme fällt es leichter die Emissionen zu reduzieren, indem zum Beispiel alle alten Ölkessel gegen umweltfreundliche Möglichkeiten ausgetauscht werden. Dafür gibt es schon Förderungen, und ich glaube das schaffen wir.
Was stimmt Sie optimistisch, dass wir als Menschheit die Herausforderung Klimawandel meistern?
Ich glaube, dass letztendlich die Einsicht überwiegen wird und wir erkennen, dass wir handeln müssen. Alle Bevölkerungsschichten werden früher oder später realisieren was auf dem Spiel steht. Denn im Moment, trifft es leider nur die Ärmeren, aber auch die Reichen können sich nicht unendlich anpassen. Wenn wir als Menschen überleben wollen, müssen wir etwas ändern.
Was ist ihre Zukunftsvision für 2050?
Ich glaube die Menschheit wird begriffen haben, was für eine Herausforderung der Klimawandel ist, und dass sie Handlung verlangt. Außerdem sollten wir es geschafft haben weitestgehend auf fossile Energieträger zu verzichten. Wenn es CO2 Emissionen gibt sollten diese durch Senken ausgeglichen werden, sodass wir das Net Zero Ziel erreichen.
Bezüglich Methan muss etwas passieren, was die Art und Weise betrifft wie wir uns ernähren. Die F-Gase werden wir vermeiden können, denn dafür gibt es Alternativen.
Grundsätzlich denke ich es ist wichtig optimistisch zu bleiben und nicht aufzugeben. Denn man kann immer selbst einen Beitrag leisten in dem man sich fragt was wirklich nötig ist. Außerdem sollten wir die Botschaft verbreiten, sodass jeder weiß was zu tun ist. Dann schaffen wir das.