Wie und Warum gestaltest du deine Reisen ohne Flugzeug und wann machst du eine Ausnahme? Diese und weitere Fragen hat mir Nadja beantwortet. Sie hat sich schon öfter gegen das Flugzeug entschieden und ist trotzdem viel unterwegs.
Sie ist eine der Personen die mich inspirieren nachhaltiger zu leben und jedes Mal begeistert sie mich mit ihren Reisegeschichten. Außerdem ist sie Teil des students‘ innovation centres, einer studentischen Ideen- und Umsetzungsschmiede für ökologisch-soziale Projekte, Initiativen und Unternehmen in Wien.
Warum weichst du öfter mal auf den Zug, Bus, oder das Auto aus, wenn du reist?
Vor ca 2 Jahren habe ich beschlossen zumindest in Europa keinen Flieger mehr zu nehmen. Damals in einem Workshop zum ökologischen Fußabdruck, wurden mir erst die schwerwiegenden Auswirkungen des Fliegens auf das Klima und die Atmosphäre bewusst.
Beispielsweise ist der Footprint des Fliegens ca. 20x so hoch wie der einer Zugfahrt. Die Klimawirkung des Fliegens (Co2, Schadstoffe, Kondensstreifen..) entspricht etwa dem Dreifachen des reinen CO2-Ausstoßes der Flugzeuge. Mein erster erschreckender Gedanke war, dass ich nun aufs Reisen verzichten muss, aber zum Glück wurde ich ermutigt mir alternative Möglichkeiten per Bus und Zug anzusehen.
Was war deine beeindruckenste Fahrt?
Meine beeindruckenste Fahrt war gleich anschließend zu meinem“ Nicht-Fliegen Beschluss“, nämlich meine erste Fahrt nach Schweden ohne Flugzeug. Was mich daran besonders erfreut hat ist, dass mir jeder gesagt hat es sei verrückt und ich zuerst selber dachte, es sei unmöglich über den Landweg nach Schweden zu kommen.
Im Endeffekt war es eine wunderschöne Hin- und Rückreise per Bus, Zug und Fähre. Sechs Städte (Hamburg, Kopenhagen, Stockholm, Lund, Malmö und Berlin) habe ich gesehen, mehrere Freunde und Freundinnen besucht und neue tolle Bekanntschaften geschlossen.
Sehr beeindruckend war auch die Reise von Paris nach Nizza mit dem Nachtzug. Zwei Freundinnen und ich bekamen unerwarteter Weise ein Upgrade in die 1. Klasse und hatten somit ein 4er Abteil nur für uns.
In der Früh begrüßte uns ein wunderschöner Meeresblick und strahlende Sonne. Frühstück im Bett mit Meeresblick. Was will man mehr?
Wann entscheidest du dich für das Flugzeug und wann für den Landweg? Was sind deine Kriterien?
Wenn sich das Ziel in Europa befindet und es eine mögliche Verbindung mit dem Zug oder dem Bus, gibt, dann entscheide ich mich für den Landweg. Natürlich hängt das auch davon ab wie viel Zeit ich habe und wie wichtig es ist dort schnell hinzukommen.
Bei Notfällen (jemand in der Familie liegt akut im Krankhaus) würde ich natürlich nicht überlegen und hinfliegen. In anderen Fällen findet man (besonders als Student) fast immer die Zeit für eine längere Fahrt. Diese muss man ja auch nicht ungenutzt lassen und kann sich viel Lese- und Lernstoff mitnehmen.
Es kann natürlich auch sein, dass man manchmal auf etwas verzichten muss. Auf Erasmus in Toulouse habe ich mich gegen einen Wochenendtrip und Flug nach Madrid entschieden und stattdessen einen Ausflug in die umliegende Region gemacht. Ich war ja dort um Frankreich zu entdecken und Madrid läuft nicht davon. 😉
Falls das Ziel sich außerhalb von Europa befindet wird es schon schwieriger. Letzten Sommer habe ich mich z.B. dafür entschieden in den Libanon zu fliegen um meine Verwandten zu besuchen, da es natürlich nicht möglich war mit dem Zug/Bus durch die Kriegsgebiete in der Türkei und Syrien zu fahren. In dem Fall hat dann der Wunsch meine Verwandten zu treffen überwogen.
Bei sehr weit entfernten Zielen auf anderen Kontinenten oder Übersee ist es natürlich sehr schwierig. Ich denke, da sollte man sich immer Gedanken dazu machen ob es noch irgendwie anders ginge.
Von Moskau nach Peking kann man beispielsweise in 3 Wochen mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren. Dann spielt die Länge der Reise und die Häufigkeit natürlich eine große Rolle. Lieber einmal nach Südamerika und dann mehrere Monate dort herumreisen anstatt mehrmals 2 Wochen in einem südamerikanischen Land.
Falls im Endeffekt der Flug nicht vermeidbar ist, dann würde ich mir erst Gedanken übers Co2 kompensieren machen. Dies muss man wirklich kritisch betrachten da 85% der Projekte von Kompensationsseiten als sehr schädlich und ineffektiv gewertet werden (z.B Menschenrechtsverletzungen, Palmölplantagen als Aufforstung). Wenn dann würde ich das Kompensationsprojekt der Boku in Anbetracht ziehen, da dieses sozial-ökologisch vertretbar ist.
Was macht Bus/ Bahnreisen so besonders?
Bus und Bahnreisen sind, meiner Meinung nach, authentisch. Das Reisen wird als Weg und Ziel gedacht und nicht nur auf das Ziel reduziert.
Man sieht wie im Laufe der Reise die Landschaft sich langsam verändert. Akzente, Sprachen und Menschen verändern sich. Man trifft auf neue Menschen mit denen man während der Fahrt interessante Gespräche führt oder mit denen man dann sogar Zeit am neuen Ort, in der neuen Stadt verbringt.
Ich kann mich gut damit abfinden, während der Fahrt, Teile einer Stadt/ eines Ortes zu erblicken anstatt in kahlen Abflughallen und Duty-free Shoppingmeilen zu warten.
Ich finde durch lange Bus und Bahnreisen gewinnt man Zeit, da man richtig viel Zeit zum Nachdenken, Lesen, Grübeln, Schreiben und Beobachten hat. Bei mir kommt das sonst im Alltag viel zu kurz.
Wer sich mehr damit befassen möchte, da kann ich das Buch „Slow Travel- die Kunst des Reisens“ von Dan Kieran sehr weiterempfehlen. Er schreibt über seine persönlichen Erfahrungen als slow traveller (nicht-Flieger) und gibt sehr gute streckenspezifische Fahrtlesetipps.
Was muss deiner Meinung nach passieren, damit Menschen nachhaltiger reisen
Also ich denke es muss sehr viel passieren.
Auf individueller Ebene mit mehr Bewusstsein und Information aber besonders auf politischer Ebene, denn die meisten Hindernisse sind strukturell und können nur mit politischen Maßnahmen beseitigt werden. Beispielsweise wird das Fliegen massiv durch Steuergelder subventioniert, was natürlich auch heißt, dass man auf individueller Ebene versuchen muss auf die Politik Druck aufzubauen.
- Kostenwahrheit– Preise müssen externe Effekte (Umweltverschmutzung) wiederspiegeln
- Besteuerung von Flughäfen und Kerosin, keine Reduzierung der Ticketsteuern
- Verbilligung der Bahn, Sparschienen und Angebote, Ausbau und kein Abbau von Nachtzugstrecken
- Erleichterungen um Zugstrecken zu buchen, Zusammenarbeit von Zuggesellschaften, Preise müssen über internationale Grenzen verfügbar sein. Es ist einfacher einer Flug von Wien nach Peking zu buchen als eine Zugstrecke von Wien nach Paris.
- Auch mal zu Hause bleiben, Bewusstsein für Urlaub in der Region, Neues in seinem Umfeld entdecken, Wandern gehen statt kurze Städtetrips,
- Zeit für Reisen haben und nehmen, Möglichkeit sich einen langen Urlaub zu nehmen anstatt nur mehrere kurze Urlaube
- kein Ausbau von Flughäfen und Fluginfrastruktur (3. Piste in Österreich, weltweit gibt es viele andere Beispiele), da die diese einen emissionsintensiven Pfad besiegeln und sogar Flugwachstum fördern (lock-in Projekte)
- Kein Ausbau von Fluginfrastruktur die besonders im globalen Süden mit Landgrabbing und Menschenrechtsverletzungen eingehen
- Information zu Zugstrecken
Die Beste Seite ist „The Man in Seat 61“
Dort findet man Informationen, Tipps, Tricks und Links zu allen Destinationen weltweit!! Ein Beispiel: von London nach Sydney mit dem Zug