Seit Mitte Dezember sammelt der Verein gegen Tierfabriken (VgT) und Tierschutz Austria Unterschriften für ein Volksabstimmung im Burgenland gegen die Aufhebung des Verbotes der Gatterjagd. Worum es genau geht und was man bei dieser Thematik beachten sollte, liest du hier.
Im Dezember 2020 wurde vom Verein gegen Tierfabriken (VgT) und Tierschutz Austria (TSA) eine Initiative für eine Volksabstimmung gegen die Aufhebung des Gatterjagdverbotes im Burgenland gegründet. In der ersten Phase wurden dafür mehr als 1.500 Unterschriften gesammelt.
Bis 4. Februar 2021 herrscht dadurch eine Sperrfrist für den Beschluss der Aufhebung dieses Verbotes. Bis zu diesem Tag müssen nun 12.000 Unterschriften gesammelt werden, um eine Volksabstimmung zu ermöglichen und somit die burgenländische Bevölkerung darüber entscheiden zu lassen, ob die Jagdgatter geöffnet werden sollen und die „Gatterjagd“ erlaubt bleiben darf oder nicht.
Was ist ein Gatter?
Laut den österreichischen Bundesforsten hat es Jagdgatter schon im achten Jahrhundert nach Christus gegeben. Lange Zeit war die Jagd in Gattern vor allem dem Adel vorbehalten, aber auch heute soll die „Gatterjagd“ vor allem vom Geldadel ausgeübt werden.
Ein Jagdgatter, beziehungsweise das umfriedete Eigenjagdgebiet, wie es eigentlich bezeichnet wird, ist ein Jagdgehege in dem Wildtiere gehalten und gefüttert werden. Das eingezäunte Jagdgehege muss von Behörden als solches anerkannt sein. Laut einer Publikation der Universität für Bodenkultur muss die Mindestgröße einer Eigenjagd 115 Hektar groß sein, der Lebensraum beispielsweise von Rotwild sei jedoch erheblich größer.
Was bedeutet Gatterjagd?
Mit „Gatterjagd“ ist die Bewegungsjagd gemeint. Diese ist laut dem deutschen Jagdverband grob einzuteilen in die Drück- und Treibjagd. Dabei werden Wildtiere mit Hilfe von Menschen und Hunden in Bewegung versetzt und somit aus ihren Verstecken „getrieben oder gedrückt“, um dann geschossen werden zu können.
Laut Wiener Zeitung ist die „Gatterjagd“ in Tirol, Kärnten, Oberösterreich und der Steiermark bereits verboten. In Wien soll sie ab 2021 abgeschafft werden. In Niederösterreich sollen die Jagdgatter bis 2029 aufgelöst werden und in Salzburg sei ein Verbot in Planung. Zufolge eines Artikels des Kurier gibt es im Burgenland zehn umfriedete Eigenjagden. Neun davon sollen maximal 300 Hektar groß, das kleinste 115 Hektar und das größte 1.200 Hektar groß sein.
Ein kurzer Rückblick
Der Protest gegen die „Gatterjagd“ wurde im Jahr 2016 immer lauter. Daraufhin hat die damals amtierende burgenländische Landesregierung 2017 ein Jagdgesetz erlassen, das Jagdgatter ab 2023 verbieten soll. Von der Landesregierung selbst wurde es damals als das „modernste und innovativste Jagdgesetz Österreichs“ bezeichnet.
Dieses Gesetz wurde im Dezember 2020 novelliert, also abgeändert. Bei Tierschützer_innen sorgen vor allem die Änderungen bezüglich der „Gatterjagd“ für Entsetzen. Denn die Zäune sollen weiterhin bestehen bleiben. Außerdem dürfen Jagden auf bewegtes Wild jährlich von 1. Oktober bis 31. Jänner, maximal an fünf Tagen, nach der Bewilligung durch die Behörde und Vorlage eines Jagdkonzeptes, stattfinden. „Gatterjagd“ soll also unter bestimmten Bedingungen erlaubt bleiben.
Der zuständige Landesrat Dr. Leonhard Schneemann schreibt in einer Stellungnahme:
„Die Novellierung war eine diffizile und komplexe Angelegenheit weil Jagd und Tierschutz in der Gesellschaft stark polarisieren. Unsere Aufgabe ist es, alle Interessen im Sinne des Tierschutzes zu vereinen und wir haben mit dem Gesetz versucht einen guten Kompromiss zu finden. Ich möchte noch einmal festhalten, dass die Hege und Pflege der Wildpopulation oberste Priorität hat. Die Grundintention des Anliegens des VGT in Bezug auf die Gatterjagd, nämlich Tierleid zu vermeiden, haben wir mit dem Verbot von Bewegungsjagden in den Gattern in der beschlossenen Novelle des Jagdgesetzes bereits klar verankert.“
Laut Tierschutz Austria ist diese Vorgehensweise verfassungswidrig. „Denn eine Gesetzesänderung in jene Richtung, die einen bereits errungenen Tierschutzstandard zurücksetzt, widerspricht klar dem seit 2013 in der Verfassung verankerten Staatsziel Tierschutz.“
Begründet wird die Novellierung damit, dass mit dem Verbot in rechtskräftige Bewilligungen eingegriffen werden würde. Für Gatterbesitzer war der Beschluss schon damals „verfassungsmäßig sehr bedenklich“, wie in einem Interview des Kurier mit Gatterbesitzer Alfons Mensdorff-Poilly festgehalten wurde. Vor allem der Eingriff in den Privatbesitz wurde dabei streng kritisiert.
Ist Gatterjagd nachhaltig?
Laut Dr. Klaus Hackländer, vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur, hat „Gatterjagd“ mit nachhaltiger Jagd nichts zu tun. Da sich diese auf die Bejagung von sich selbst reproduzierbaren Wildpopulationen, die in freier Wildbahn leben, beziehe. Die freie Wildbahn ist in Gattern nicht gegeben.
Im burgenländischen Jagdgesetz ist allerdings schon in der Präambel die Rede von Nachhaltigkeit. Außerdem hat es zum Ziel “die naturnahe und nachhaltige Jagd auf freilebendes Wild zu erhalten und weiterzuentwickeln”. Obwohl “Gatterjagd” laut Experten nicht als nachhaltig gilt, soll sie weiterhin erlaubt bleiben.
Was halten Jäger_innen von der “Gatterjagd”?
“Gatterjagd” wird darüber hinaus auch in der Jagdszene äußerst kritisch betrachtet. Nach Rücksprache mit einem Jäger, der anonym bleiben möchte und selbst an Gatterjagden im Burgenland teilgenommen hat, handelt es sich bei den Beteiligten einer “Gatterjagd” oft um Personen, die selbst nicht besonders viel Ahnung von der Jagd haben. Eigene „Jagdreise-Agenturen“ sollen Gatterjagden interessierten Personen anbieten. Laut dieser Aussage handelt es sich hier also eher um Jagdtourismus, als um Jagd im Sinne der Regulierung von Wildtierpopulationen.
In freier Wildbahn brauchen Jäger_innen vor allem viel Geduld. Sie müssen oft stundenlang warten und mehrere Male jagen gehen, um überhaupt zum Abschuss zu kommen. Jene Leute die dafür bezahlen, sollen diese Geduld nicht mitbringen, schließlich soll mit einer Abschussgarantie geworben werden. Dadurch soll es vor allem um den Abschuss des Tieres gehen, und weniger darum, ob dieses Tier schnell und ohne große Schmerzen stirbt. So kann es vorkommen, dass ein Tier nicht richtig getroffen wird und einige Stunden warten muss, bis es endgültig erlöst wird. Denn während der Jagd wäre es für die Menschen zu gefährlich in das Schussfenster zu geraten.
Wie geht es den Tieren bei einer Gatterjagd?
Für die Tiere ist ein Ereignis wie eine „Gatterjagd“, ohne Zweifel mit Stress behaftet und mit Angst verbunden. Laut dem Tierarzt Dr. Rudolf Winkelmayer, soll es bei einer so hohen Tierdichte, wie man sie oft in Jagdgattern vorfindet, nicht ohne den Einsatz von Medikamenten gehen. Es sei nicht nur die Größe des Gatters entscheidend, sondern vor allem wie viele Tiere auf welcher Fläche gehalten werden. Von Wildtierregulation können man außerdem nicht sprechen, denn immerhin werden die Tiere ja gezüchtet und vermehrt.
Markus Moling, Professor für Philosophie an der Hochschule Brixen und Autor des Buches „Wie wir jagen wollen“, plädiert für ein schonendes Jagdkonzept. Dieses sollte sich an den Ansichten der modernen Tierethik orientieren, das aber die Haltung der Jäger_innen mit einbindet. Es sollte darauf ausgelegt sein, das Tier möglichst schmerz- und stressfrei zu töten.
Denn das Hetzen von Tieren erzeugt unnötig viel Stress und entspricht nicht einer waidgerechten Jagd. Der Schuss sollte zu einem schnellen Tod führen. Wo das nicht garantiert werden kann, ist die Jagdform kritisch zu betrachten, obwohl Fehlschüsse passieren können. Es gilt daher Leid zu vermeiden. Hier unterscheidet man zwischen primärem Leid, das entstehen kann wenn das Tier erschossen wird, und sekundärem Leid, das entsteht wenn Tiere aus Sozialverbänden entnommen werden und eine Verlusterfahrung entsteht.
Zufolge einer Stellungnahme des ökologischen Jagdverbandes „widerspricht das Einsperren von Wildtieren fundamental den natürlichen Bedürfnissen und führt letztlich zu einer Verkümmerung des Bestandes“.
Waidgerechtigkeit ist der zentrale Begriff in der Jagdethik. Er wird in verschiedenen Jagdgesetzen erwähnt und kann als Leitziel der verantwortungsbewussten Jagd gedeutet werden. Eine einheitliche Definition gibt es aber nicht. Was damit gemeint ist kann man hier ab Seite sieben nachlesen.
Ist jedes Gatter schlecht?
Laut Dr. Markus Moling und Dr. Klaus Hackländer gibt es auch Gatter, die gut funktionieren. Der Lainzer Tiergarten in Wien zum Beispiel. Hier wurde nicht nur ein schonendes Jagdkonzept ausgearbeitet, sondern es wird auch gezeigt, dass man die Bedürfnisse der Tiere und der Menschen miteinander verbinden kann. Besucher_innen des Tiergartens haben die Möglichkeit den Wald als Erholungsraum zu nutzen, und bei etwas Glück die Tiere zu beobachten.
Durch die ausgewiesenen Ruhezonen haben Tiere die Möglichkeit sich zurück zu ziehen. Denn unabhängig davon, ob es Gatter gibt oder nicht, brauchen Wildtiere Ruhezonen. Das bezieht sich auf den Jagddruck, aber auch darauf, ob Spaziergänger, Wanderer und Hunde die Ruhezone der Wildtiere berücksichtigen. Naturschutz und Jagd sei aber auf jeden Fall etwas, das in vielen Fällen Hand in Hand gehen kann.
Zäune in der Landschaft
Zäune in der Landschaft stellen wildtierökologisch ein Problem dar. Denn jeder Zaun bildet eine Barriere im Lebensraum. Viele Wildtiere sind es allerdings gewohnt zu wandern, vor allem auch, um den genetischen Austausch zu gewährleisten und Inzucht zu vermeiden. Hinzu kommt, dass der Lebensraum von Wildtieren immer mehr durch Menschen beeinflusst wurde. Die Verbauung von Lebensraum ist damit auch ein Problem für die Wildtiere.
Dr. Markus Moling sagt: „Ein längerfristiges Ziel sollte sein Jagdgatter zum Wohle der Tiere, aber auch der Jagd, aufzuheben. Denn dort wo man gezwungen ist Tiere einzuzäunen, sieht es meist schlecht um den Lebensraum aus. Aus meiner Sicht sollte man sich vor allem dafür einsetzen, den Tieren den Lebensraum zu bieten, den sie brauchen, um zum Beispiel Wanderungen so gut es geht zu ermöglichen. Wir müssen also auch ein tiefersitzendes Problem behandeln, nämlich wie bewirtschaften wir ländlichen und alpinen Raum, sodass auch die Bedürfnisse der Tiere erfüllt werden.“
Ist eine Gatterjagd ethisch vertretbar?
Im Tierschutzgesetz Österreich steht: „Es ist verboten, Tiere ohne vernünftigen Grund zu töten.“ Das Tierschutzgesetz gilt aber nicht für die Jagd und die Fischerei, denn diese Bereiche fallen in die Kompetenz der Bundesländer.
Dr. Markus Moling sagt: „Aus tier- und jagdethischer Sicht ist die Jagd und Haltung in Gattern sehr stark in Frage zu stellen. Das Halten von Wildtieren in Gattern lediglich zu Jagdzwecken sehe ich als nicht waidgerecht. Vor allem wenn Bewegungsjagden durchgeführt werden, ist das aus tierethischer Sicht problematisch. Man sollte sich immer die Frage stellen: Warum erhalte ich ein Gatter?
Wenn die Größe und die Tierdichte passen, und auch die Fütterung an den Stoffwechsel der Tiere angepasst ist, können Gatter eine legitime Form der Tierhaltung darstellen. Handelt es sich allerdings schlichtweg um die Jagd, als primäres Ziel, werden die Tiere zu Objekten menschlichen Interesses degradiert, und das ist aus tierethischer Sicht abzulehnen. Hinzu kommt, dass in diesem Fall auch ein schlechtes Bild für jene Jäger entsteht, die sich für waidgerechte Jagd einsetzen. Es stellt sich also die Frage: inwieweit werden menschliche Interessen auf dem Rücken der Tiere ausgetragen?“
Klar ist also: Das Thema „Gatterjagd“ polarisiert. Vor allem deshalb ist es wichtig, verschiedene Perspektiven zu beleuchten und nach passenden Lösungen für Mensch, Tier und Umwelt zu suchen und diese dann aber auch umzusetzen. Natur-, Arten- und Tierschutz unterliegen oft der Abwägung verschiedener Interessen, und bewegen sich deshalb in einem Spannungsfeld, das aber gemeinsam lösbar ist.
Weitere Infos zur Initiative gegen die Aufhebung des Gatterjagdverbotes findest du hier.
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